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Die „arme Seele" bei der „Mandelföhre"

In Oberhautzental lebte einst ein Pfarrer, der das Tanzen nicht leiden konnte. Trotz seiner Mahnungen an die Bevölkerung des Ortes versammelte sich die Dorfjugend jeden Sonntag, oft auch an Wochentagen zum fröhlichen Tanze. Da konnte man dann den Lärm bis in die Kirche hören, in der oft Wallfahrer ihre Andacht hielten. Sie wurden dadurch gröblich gestört. Endlich brachte es der Seelsorger so weit, dass die Jugend ihren Tanzplatz außerhalb des Dorfes verlegte, wo niemand mehr belästigt werden konnte. Kehrten die jungen Leute heim, mussten sie an der Kirche und an einer Föhre vorbei, die die „Mandelföhre" genannt wurde.

Einst hatte der Tanz recht lange gedauert. Auf dem Heimweg kamen die Burschen und Mädchen wieder an dieser Föhre vorbei. Im Kreise der Heimkehrenden war auch ein junger Knecht, der sich zufällig an diesem Abend nach diesem Baume umsah und unter ihm eine dunkle Gestalt erblickte. Er ging ein paar Schritte zurück, trat auf sie zu und sprach sie an. Sie Blieb aber nicht stehen, sondern ging dreimal um die Föhre herum. Der Bursche ging hinter ihr her. Auf einmal sagte jemand: „Lass eine arme Seele in Ruhe!" Der Knecht glaubte, dass er einen Spaßmacher vor sich habe und blieb ruhig stehen. Plötzlich erhielt er eine Ohrfeige, und seine Wange brannte so heiß, dass ihm die kalten Umschläge, die er nachts auflegte, keine Linderung brachten. Als er nun am Morgen in den Spiegel schaute, erstaunte er sehr. Es war auf seiner Wange recht deutlich die Spur von fünf Fingern zu bemerken, und zwar so deutlich, dass man sie von weitem erkennen konnte. Beschämt zog der Knecht in einen anderen Ort, wo er das „Brandmal" als Muttermal ausgab.