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Herrschaftsziegelofen

Bereits als die Menschen sesshaft wurden, verwendeten sie Lehm zum Abdichten von aus Zweigen geflochtenen Hüttenwänden. Ein weiterer Schritt waren von Hand geformte Erd- oder Lehmziegel. Bis gegen das Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Wohnstätten der einfachen Bevölkerung aus Lehmziegeln errichtet. Die Haltbarkeit und Stabilität dieser Bauten ist überraschend lang. Für die Dächer verwendete man Stroh- oder Rohrdeckungen. Allerdings war damit hohe Feuergefahr verbunden. Durch die enge Bauweise kam es laufend zu Brandkatastrophen, die ganze Stadtviertel oder Dörfer vernichteten. Für Gebäude, die längere Haltbarkeit und Witterungsbeständigkeit aufweisen sollten, verwendete man gebrannte Ziegel. Auf den damals schlechten Wegen war der Transport schwerer Güter über größere Entfernungen kaum durchführbar. Bei umfangreicheren Bauvorhaben wurden eigene Ziegelöfen errichtet.

                  In Sierndorf wurde bereits im 13. Jahrhundert ein festes Haus erwähnt. Die Grundmauern des heutigen Schlosses sind weitgehend auf das Mittelalter zurückzuführen. Es kann folglich angenommen werden, dass bereits zu dieser Zeit eine Produktion von gebrannten Ziegeln in der „Höll“ am Silberbach vorhanden war oder dass wandernde Ziegelbrenner die erforderlichen Ziegel herstellten.

                  Der erste belegte Hinweis auf einen Ziegelofen kommt von Wilhelm v. Zelking, der 1541 in seiner Ertragsdarstellung anführt: „... wenn ich Kalch und Ziegel brenn ...“ Er führte umfangreiche Projekte aus. Nicht nur das Schloss wurde weitgehend neu errichtet, damals entstand auch die heutige Schlosspfarrkirche und etliche der älteren Gebäude im Ort dürften auf diese Zeit zurückzuführen sein. Ebenso führten die späteren Besitzer laufend Bauvorhaben, von Stallungen und Stadeln bis zu erheblichen Schlossumbauten durch. In den Anweisungen für den Herrschaftsverwalter war 1845 der Auftrag enthalten, für ausreichend Brennmaterial zu sorgen. Je Brand waren ca. 62 m3 weiches Holz erforderlich. Die Anlage einer eigenen Ziegelherstellung machte durchaus Sinn. Eventuelle Mehrproduktion war auch in der näheren Umgebung absetzbar.
                  Anfangs werden die Rohlinge in einem Meiler gebrannt worden sein. Dabei wurden die getrockneten Rohziegel aufgeschichtet und mit Erde oder Lehm abgedichtet. Die Brenndauer betrug ca. zwei Wochen, dann konnte die Erde entfernt und die Ziegel geborgen werden. Bei diesem Verfahren ist der Ausschuss jedoch hoch. Nur ca. 1/3 war gute Ware, ein weiteres Drittel war für Innenwände brauchbar, der Rest nur als Füllmaterial. 1838 berichtete der Verwalter der Herrschaft Sierndorf, dass nun ein gemauerter Ziegelofen vorhanden sei. Diese Information teilt uns die Neuerrichtung und damit auch die Verbesserung des Ofens mit. Aus dieser Zeit ist auch bekannt, dass vier Schlagtische und Model für Mauer-, Dach- und Pflasterziegel vorhanden waren.

                  Da bei größeren Bauvorhaben Produkte mehrerer Ziegeleien erforderlich waren, war die Vereinheitlichung der Ziegel erforderlich. In einem Erlass von 1686 schrieb Kaiser Leopold I. die Verwendung von genormten Model und eisernen Streichbrettern vor und verfügte Strafen für schlecht gebrannte Ziegel. Kaiser Karl VI. bestätigte das 1715 und verpflichtete die Ziegelbrenner, ihre Produkte „mit einem eigenen gewissen und kennbaren Zeichen zu versehen“. Im 19 Jh. hatten die Sierndorfer Rohlinge das Maß von ca. 31,4 x ca. 15,7 x ca. 7,85 cm. Dachziegel ca. 44,5 x ca. 18,3 x ca. 1,3 cm.

Bei Vollauslastung könnten zwischen 400.000 und 500.000 Ziegel jährlich hergestellt worden sein.

Die Arbeit konnte nur in der frostfreien Jahreszeit durchgeführt werden. Der Lehm musste mit Wasser aufbereitet werden und die geschlagenen Ziegel vor dem Brand trocknen.

Für den Kirchenbau im Jahre 1740 am Sierndorfer Friedhof lieferte der Ziegelbrenner Andreas Meindl 56.000 Mauerziegel, 14.680 Dachziegel und 600 Doppelziegel.

                  Die erste Erwähnung eines Ziegelbrenners in Pfarrmatriken ist im ältesten Taufbuch von Stockerau zu finden. Der Sierndorfer Ziegler Christoph Hrustorf wird 1613 als Taufpate genannt. Um 1860 dürfte der Ziegelofen stillgelegt worden sein. 1865 erhielt Johann Wasserburger die Genehmigung, auf dem „Ziegelplatzel“ eine Scheune zu errichten. Beim Bau der Wasserleitung 1928 durch die „Höll“ stieß man auf Reste des Ziegelofens. Noch anfangs der 1950er-Jahre bezeichnete der damalige Bürgermeister Anton Schwarz den heutigen Pulverhofweg als Ziegelofenweg.

Kurt u. Veronika Jüthner

Quellen:

NÖ Landesarchiv, Franziszeischer. Kataster; Diözesanarchiv Wien, LP Sierndorf; Chronikmanuskript Anton Schwarz; Pfarrmatriken Sierndorf u. Stockerau; Colloredo-Mannsfeld, Wirthschafts Inventarium 1814, Instruction der Herrschaft Sierndorf 1845; Fassionsbuch der Marktgemeinde Sierndorf; Archiv für Lagerstättenforschung d. Geologischen Bundesanstalt, Die Ziegelöfen d. Bez. Hollabrunn.

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